Nun hat der Mensch von Grund auf seine Vorurteile. Mac oder PC? Cola oder Pepsi? Diskussionen über diese Themen, meist voreingenommen betrachtet, laufen selten auf einen Schlusspunkt hinaus. So auch die Frage: Kann ein Regisseur am Drehbuch mitschreiben, die Filmmusik aussuchen und, Achtung jetzt kommt’s, auch noch die Hauptrolle übernehmen? Ist ein Kinofilm danach nicht zum Scheitern verurteilt?
Natürlich können wir uns hier auch an Fakten klammern: Marlon Brando biss sich die Zähne an „Der Besessene“ ("One-Eyed Jack") aus, Woody Allen eckte nicht nur einmal beim Publikum an (z.B.: „The Sleeper“, „Take the Money and Run“) und Klaus Kinski zerbrach an „Kinski Paganini“.
(By the way: Zach Braff hat in „The Garden State“ hervorragende Arbeit geleistet. Es geht also auch anders...)
Dass Til Schweiger beim zweiten Versuch scheitern könnte, wenn er Regie, Hauptrolle und Drehbuch an seinen Zügeln hält, hätte ich eigentlich nicht gedacht. Beim Kinofilm „Barfuss“ führte der anscheinend vorhandene Kontrollzwang zum gewünschten Ziel und der Erfolg gab Schweiger recht. Nach einem Debüt folgt oft ein grosser Fall, One-Day-Wonders werden vom Weizen getrennt, übrig bleibt das Talent. Til Schweiger ist übrig geblieben.
Der Streifen „Keinohrhasen“ ist schnell erzählt, bietet aber trotzdem reichlich Platz für gut gesetzte Gags und deutsch-amerikanische Emotionen:
Ludo, ein Boulevardreporter, hängt auf übelste Art und Weise der Prominenz von Berlin an der Gurgel. Seine soziale Umgebung besteht aus der deutschen Highsociety (Ludo wird jedoch von dieser gehasst) und vielen One-Night-Stands (Ludo wird „danach“ auch von diesen verachtet; verletzten Gefühlen wegen).
Nach einer Straftat-Ludo bricht beim Heiratsantrag von Vladimir Klitschko und Yvonne Catterfeld durch das Glasdach eines Luxushotels ein-wird er zu 300 Stunden Sozialarbeit in einem Kinderhort verdonnert. Die Leiterin dieser Institution, Anna Gotzlowski, ist eine alte Jugendfreundin, welche von Klein-Ludo immer verspottet wurde. Die negativen Spannungen sind durch diese Gegebenheit schon vorprogrammiert, trotzdem empfinden die Beiden plötzlich mehr füreinander und finden so zueinander. Der Casanova Ludo realisiert aber den Ernst der Lage nicht richtig und lässt sich erneut in eine Kurz-Bekanntschaft (mit einer Unbekannten) ein. Annas Welt scheint kurzfristig unterzugehen...
Wie schon bei „Barfuss“ sind viele Szenen in satten Erdfarben gedreht; die Kinder der Tagesstätte könnten in Kombination mit Ludo und Anna aus der Herbstkollektion eines Modekatalogs stammen. Sehr abgestimmte und schöne Bilder. Der Originalton ist leider manchmal etwas schlecht verständlich, Gründe dafür sind viele verschiedene Dialekte und laute Nebengeräusche. Der Soundtrack überzeugt mit einer Vielfalt von englischen und deutschen Songs, von ruhig bis R&B. Höhepunkt ist der aktuelle Hit von Timbaland „Apologize“.
Mit feinem Witz erzählt Til Schweiger eine Geschichte, die man ihm eigentlich nicht zutrauen würde. Schweiger, das oberflächlich wirkende, braungebrannte Unterwäschemodel, taucht zum zweiten Mal in eine Tiefgründigkeit der Liebe ein, die in unserer animationsgesättigten Gesellschaft auch ohne Schnickschnack auszukommen vermag. Das grosse Staraufgebot (Jürgen Vogel, Rick Kavanian, Christian Tramitz) bringt zusätzlich eine gelungene Unterhaltung in diese romantische Komödie. Fazit: Ideal zum Verschlingen.
Ah ja! Good to now: Alle vier Kinder von Til Schweiger, Valentin Florian, Luna Marie, Lilli Camille und Emma Tiger, spielen in „Keinohrhasen“ mit.