Der Sonntag, der war so:
Ich habe Euch schon vorgewarnt, dass Sue und ich an einen Gospelgottesdienst in Harlem, dem etwas ärmeren Stadtteil von New York, gehen wollten.
Gehen ist vielleicht das falsche Wort. Neues Wort dafür ist pilgern, denn mit uns wollten dies noch zirka 600 andere Touristen. Und dies nur in dieser einen berühmten Kirche, der Abyssinian Baptist Church. Diese Kirche wird von einer farbigen Gemeinde betrieben, natürlich sind Weisse auch willkommen. Touristen müssen
(es werden 200 zugelassen) aber im oberen Teil der zweistöckigen Kirche Platz nehmen.
Für die bessere Verständigung Eurerseits: Die Kirche nimmt nur 200 Touristen auf, 600 stehen Schlange. Und das von 8.30am an, obwohl der Gottesdienst erst um 11.30am beginnt.
Wir sind aber "erst" um 09.30h dazu gekommen. Sue hat gewusst, dass man lange anstehen muss. Aber gerade so lange...
Aufgeben? Nein!
(Genau das hätte uns der Pastor im Gottesdienst sicher auch geraten: "Never give up!") Da sich Sue diesen Besuch so sehr gewünscht hatte, musste ich doch etwas unternehmen. So stand ich, nach feinsäuberlicher Schweizermanier, zu den ersten 20 Personen hin. Sue gesellte sich etwas später dazu. Und schon puffte mich ein verärgerter Ami an.
(Wahrscheinlich, weil er die ganze Wartezeit auf sich genommen hatte.) Er: "The line is in the back!" Ich: "Okey!"
(grinsen und wegschauen.) Er:
(findet's gar nicht lustig) "Sir, the line is over there!" Ich: "I don't see a line!" Und dann wurde er aggressiv... und wir verschwanden zehn Meter hinter ihm in der Kolonne, wo wir auch blieben.
In der Kirche war eine sehr spezielle Stimmung. Mir wurde klar, dass für viele farbige Amerikaner der Glauben einen ganz anderen Stellenwert, als vielleicht für einen Durchschnittsschweizer, hat. Zur Kirche geht die ganze Familie in tollen Sonntagskleidern, auch der Gottesdienst ist Welten von unseren entfernt. Er ist ein richtiges Fest, das ist der Unterschied!
Der Gospelgottesdienst war ein Erlebnis, auch für einen wie mich, der ja nicht wahnsinnig gut Englisch kann. Der Pastor sagt etwa: "God is good", darauf hört man in der Gemeinde laut: "Yes, yes!", "so true" und "amen!" Mir ist da fast selber ein lautes, inniges "yes" herausgerutscht.
Am Nachmittag haben wir plötzlich viele Prominenz in NY getroffen. Da war der Bush, Harrison Ford, Steven Spielberg, Barbara Streisand und noch viele mehr anzutreffen. Was da wohl los war? Wir wissen's auch nicht, vielleicht lag's an der Frau Tussaud...
Dann kam die Nachricht: Wegen Lieferungsproblemen von wichtigem Material, welches ich zum Fortsetzen meiner Arbeit benötige, könne ich doch die nächsten paar Tage Überzeit abbauen. Perfekt: Mietwagen, 12 Stunden Fahrt. Niagara Falls. Montag bis Dienstag.
Ja, da fuhren wir also los Richtung Kanada, ohne zu denken, dass die paar Stunden Fahrt lange werden könnten, ohne zu denken, wie das Wetter im Norden sein könnte und ohne richtig viel Ersatzkleider mitzunehmen. CD's hatten wir auch keine dabei.
Nach 400 Meilen kamen wir am Montag in Buffalo an und suchten zuerst ein Hotel. Wir hätten eigentlich eine Arche vorgezogen, denn die letzte Stunde hatte es sintflutartig geregnet. Doch die Arche war von unserer Art schon ausgebucht. Wenn wir Chinchillas gewesen wären, hätten wir Glück gehabt, denn die haben noch gefehlt...
Die Niagara Fälle haben wir noch bei besserem Wetter
(sprich: Kein Regen) besuchen können.
(Wir wurden aber bei der Bootstour, bei der man sehr nahe zu den Fällen ranfährt, pflotschnass.) Sie sind einfach atemberaubend, wunderschön, gigantisch, beeindruckend... Ein Sehenswürdigkeit, die zu sehen würdig ist.
Zurück fuhren wir die 400 Meilen in ununterbrochenem Regen. Unsere Benzinschleuder hat uns und unsere 1000 Fotos heil ans Ziel gebracht. Eines dieser Ziele, welche man unbedingt besuchen wollte, kann ich nun von der Liste streichen. Nun kommt Mekka dran...
Morgen Donnerstag hat Sue Geburtstag. Der Tag steht in ihrem Zeichen und ich bin gespannt was wir machen werden.