Dienstag, 15. April 2008

Sodom und Gomorrha – Lille IV





Amsterdam war mir bis jetzt ein unerreichtes Ferienziel. Wollte ich doch kurz nach meinem Schulabschluss zu dieser, sagen wir mal „sagenumwobenen“ Stadt reisen. Und zwar mit einem orangen Flieger und zwar nur etwa eine halbe Woche lang. Warum mich damals diese holländische Metropole anzog, weis ich bis heute nicht so genau. Am ehesten denke ich, dass die Erzählungen meines lieben Bollis (Schwester meiner Mutter) einen grossen Beitrag geleistet haben. Von ihr stammt auch der Reiseführer, der bis vor kurzem unbenutzt in meinem Bücherregal lag und von seiner Zukunft träumte.
Zu einer Visite von Amsterdam kam es bis vor kurzem nie. Sei es wegen Unentschlossen- oder Feigheit gewesen, so war es sicher nicht schlecht, dass ich dieses Vorhaben (in diesem zarten Alter) sausen gelassen habe.

Doch bis kurzem heisst: Ich war da! Vor kurzem = la dernière fin de semaine

Natürlich bin auch ich, wie wohl jeder Tourist und (!) Touristin, durch den „red light district“ gelaufen. Ich erläutere nun für Nichtkenner das Rotlichtmilieu von A’dam: (Beim lesen-> entschuldigt meine herben Ausdrücke.)
Rund um einen ca. 500m langen Gracht (Grachte sind stehende Gewässer, bzw. Kanäle durch ganz Amsterdam. Hausbote oder anderer aquanautische Gefährte sind darauf in Bewegung.), im Zentrum dieser Stadt und etwa 5min vom Hauptbahnhof entfernt, befindet sich diese Lustmeile Schandmeile. Unzählige Schaufenster, auf mehreren Etagen übereinander gereiht, pflastern in schummrigem Licht die Strasse. Diese Schaukästen haben im Hintergrund ein Bett und ein Bidet stehen und lassen sich mittels Samtvorhang zu einer Sexkammer umwandeln. Wie Tiere in einem Zoo stehen hinter diesen Glasscheiben die Frauen und warten auf ihre Freier. Viele rauchen dabei, einige trinken, andere telefonieren. Alle sind leicht bekleidet (Achtung: Es ist aber NIE ein Geschlechtsteil zu sehen!), alle erscheinen recht unglücklich. Von schwarz über weiss bis gelb. Von ganz dick bis ganz dünn. Blond-, Braun- , Schwarz- bis Mehrfarbhaarig. Alle Fantasien dieser gaffenden Männer könnten erfüllt werden. Vor den Schaufenstern steht viel Volk. Und ich übertreibe tatsächlich nicht, wenn ich sage, dass jede Altersgruppe im „Publikum“ vertreten ist. Und das in einer gewaltigen Menge. (Zu vergleichen mit der Frequentierung eines Samstagnachmittages in den Berner-Lauben!)
Glotzend steht die Menschenmasse vor diesen Terrarien und zeigen mit den Fingern auf die Frauen, so als ob sie eine seltene Echsenart wären. Häufig klopft ein Mann an einer dieser Glastüren und wird danach hineingelassen. Oft warten draussen ganze Cliquen auf den Jüngling Lüstling und Johlen bei der Wiederkehr, als gäb es keinen Morgen mehr. Pervers und Niveaulos.

Ein Freund, der auch vor kurzer Zeit für kurze Zeit Amsterdam besucht hatte, war genau gleich entsetzt von dem, wovon andere schwärmen. Er verglich Amsterdam mit all seinen Lastern und Sünden - vom käuflichen Sex bis zu den legalen Softdrugs - mit den beiden Städten Sodom und Gomorrha.

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Einschub:
Im alten Testament wird von diesen beiden Orten erzählt, wobei sie als Zentrum der Sünde und Lust dargestellt werden. Gott selbst sucht Abraham auf, um ihm mitzuteilen, dass er vorhabe, diese beiden Städte zu zerstören, wenn das sündige Verhalten ihrer Bewohner tatsächlich so schlimm sei, wie ihm zu Ohren gekommen war. Abraham fragt Gott, ob er wirklich Schuldige und Unschuldige ohne Unterschied vernichten wolle. Gott versichert ihm schließlich, dass er Sodom verschonen werde, wenn sich nur 10 anständige Menschen darin finden liessen.

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Tatsächlich ist Amsterdam eine Hochburg von Sex, Gewalt, Drogen und Verbrechen geworden. Die Regierung will nun diesen Faktoren den Kampf ansagen und ein „sauberes“ A’dam herbeizaubern. Kultur- und Gehaltvoll. Meine Skepsis bleibt. Ob die das schaffen werden? Hoffen wir das Beste. Mein Bild von Amsterdam steht nun leider schon in Flammen. Schade, denn von der Architektur her und mit eben diesen Grachten ist diese Stadt bezaubernd.

Auf das die zehn reinherzigen Holländer den A’dam wieder zu seiner Eva führen können.
Nur so kann Amsterdam bestehen bleiben.


Dienstag, 8. April 2008

Vom Waschtag in Arabien – Lille III





Die Mäuse hätten ihre Freude an meinem Wäschesack gehabt, dass sage ich euch! Höchste Zeit war es also, mein Arsenal an sauberen Socken wieder aufzurüsten. Leider ist meine Bleibe nur mit einer einzigen, dafür sehr überteuerten, Waschmaschine ausgestattet. „Mä nimmt’s ou hie vo de Läbige!“, dachte ich mir und verschwand mit meinem wohlschmeckenden Bündel ab nach draussen. Aber woher eine „buanderie“ nehmen, wenn nicht stehlen?

Nun sind wir wieder bei einem klassischen Effekt angelangt. Wer kennt das nicht: In einer fremden Stadt schneidet man sich in den Finger (z.B. an einer scharfen Postkarte oder einem spitzigen Souvenir). Eine OP wäre dringend nötig, zwecks Amputation. Oder aber vielleicht auch nur ein Notarzt. Am Schluss könnte eine Apotheke sicher die gewünschte Linderung bringen. Doch da ist in dieser Riesenmetropole einfach kein Pharmastore zu finden. Zwar sind im Umkreis von drei Kilometern vier „Mäceduus“ und zwei „Sternenkaffees“ zu orten, aber eben keine Apotheke. Schicksal.

Analog meiner vergangenen Situation: Da irrte ich doch eine halbe Stunde rum, bis ich im „banlieue“ einen Waschsalon gefunden habe. In einem Viertel, in dem es irgendwie anders gerochen und irgendwie anders ausgeschaut hat als in meinem mir bekannten Lille. Französisch wurde im Waschmaschinenlokal kaum mehr gesprochen. Nichtsdestotrotz wurde mir von einem Jüngling sehr nett die Maschine erklärt. Später hat mir Alin vorgetragen, dass ich in einer arabischkultivierten Umgebung gelandet bin, was mir danach so einiges erleuchtete. Das war wirklich ein netter und unterhaltsamer Sonntagnachmittag. Hundertmal besser, als das Wäschewaschen im Hotel. Und irgendwie riechen meine Socken nun dezent nach Curry....

Skeptiker! - Lille II 1/2




Für alle, die mir bis jetzt nicht geglaubt haben, wie toll meine Aussicht aus dem Hotelzimmer ist:

Säda!


Sonntag, 6. April 2008

Regen, Nebel: Tütataa! - Lille II





Es gibt' s doch noch, das richtig derbe Schmuddelwetter. Hier in Lille haben wir nun eigentlich schon die ganze Woche Regen und Nebel.
Und irgendwie stehen im Meridian-Reiseführer immer die gleichen Sätze: Zum Beispiel in der Kategorie der Nahrungsmittel: „Nordfrankreich ist kein Gebiet des Weins, hier trinkt man Bier!“ So steht bei der Sparte Wetter: „Nordfrankreich ist kein Gebiet der Sonne, hier regiert der Wind!“ Was immer das auch heissen mag... (Im Sommer soll es durchschnittlich 22° kühl sein.) Folglich verbringe ich meinen Sonntagnachmittag im Hotel. (Ich habe mein Appartement vom fünften Stockwerk/Hinterhofsicht in die elfte Etage/Stadtsicht verlegen dürfen. So ist nun direkt neben meinem Bett ein tolles Panorama inklusive Bernermünsterklon! Achtung jetzt kommt’s: Ich habe sogar ein separates Gästebett. Besucher sind also herzlich willkommen!)

Ich habe in der neuen Bude schon Bademeister gespielt und das frische Badezimmer mit Schaumschlägerei überflutet. „Käpt’n! Kurs auf die Bounty! Klack, klack... (Holzbeingeräusch!) Und entern! Kentern! Meutern! Harrr...“

Wie vorhin schon erwähnt, ist Lille wirklich eine Stadt des Biers. Nebst den kleinen Brauereien liefert Belgien viel Bier nach Lille. Auffällig viele Frauen sitze hier abends in den „dépôts de bière“ und trinken den Gerstensaft aus einer Art Weingläser. Ich habe mir von einem „garçon“ erklären lassen, dass diese Birnenform eine bessere Geschmacksentfaltung forcieren soll. Egal, dumm schauts trotzdem aus... Prost!

Donnerstag, 3. April 2008

Ich kann fliegen – Lille I




Die Franzosen haben mich schon bereits im Gare de Lyon recht freundlich willkommen geheissen. Da wollte ich doch im überfüllten „zum güldenen Amerikaner“ bei einer älteren Dame am selben Tisch mein Revier markieren (wie es bei uns in der Schweiz schon fast penetrant üblich ist!), da bellte mich diese durch die Blume an. Nach meinem freundlichen „ist hier besetzt?“ nickt die alte Dame zwar den Schrumpfkopf, fragt mich aber danach, von wo ich komme und ob es in der Schweiz nicht auch unhöflich sei, wenn man sich zu fremden Leuten an den Tisch setzt.
Anderes Land. Andere Sitten.

Dafür ist mein Hotel spitzenklasse. Also Hotel kann man das eh nicht mehr bezeichnen. Es ist eine Appartement-Residenz.
Direkt gegenüber des Lille-Flandres-Bahnhof liegt eine moderne französische Mall und genau darin ist mein Hotel platziert. Ich habe deswegen nicht nur „la gare“, sondern auch noch 64 Shops und ein Kino vor der Hütte. Die Amis hätten das nicht besser gekonnt...

Am ersten Abend bin ich wegen diktatorischem Drängen eines Arbeitskollegen in ein chinesisches Restaurant mitgegangen. Da habe ich doch wirklich Froschschenkel und Sauerkraut auf der Speisekarte gelesen. Typisch Chinesisch. Es würde mich nun nicht verwundern, wenn ich in einem französischen Restaurant eine Wan-Tan-Suppe schlürfen könnte. Das ist ja auch ein Stück „frances way of live“. Oder öppe niid?

Heute habe ich nun mein Bett auf die Probe gestellt und ein paar Turnübungen darauf ausprobiert. Ich bin schon fast reif für eine Darbietung an der legendären Turnvorstellung in Wichtrach. Nur dumm, dass dieses Bett eine Klappschüssel ist: D.h.: Nach dem Sprung (vor den 10sec. Selbstauslöser) bin ich aus einem gehandorgelten Bett aufgestanden.

So was zupft am Nerv.